I. Anthropozän
Das geologische Zeitalter, in dem wir Menschen leben, wird offiziell von der International Union of Geological Sciences und deren Untergruppe, der International Commission on Stratigraphy, als «Holozän» bezeichnet. Das Holozän, das Nacheiszeitalter, begann vor etwa 11‘700 Jahren mit der Erwärmung der Erde. Jedoch wurde verschiedentlich vorgeschlagen, ein neues geologisches Zeitalter namens «Anthropozän» einzuführen, ein neues Zeitalter des Menschen. Begründet wird dieses neue Zeitalter mit dem Einfluss des Menschen auf die biologischen, geologischen und klimatischen Verhältnisse auf der Erde.
Ob und seit wann wir im Anthropozän sind, ist allerdings umstritten und noch nicht offiziell entschieden. Jedenfalls hat sich seit dem zweiten Weltkrieg und nochmals seit dem Ende des Kalten Krieges die Globalisierung beschleunigt. Bevölkerungszahl und Wirtschaft sind global seit längerem stark gewachsen, mit entsprechenden Folgen für Ressourcen und Umwelt, insbesondere für das Klima unserer Erde. Zunehmend wird die Meinung vertreten, dass diese Entwicklung schwerwiegende Konsequenzen bis hin zu unserem eigenen Aussterben haben kann.
II. Irrfahrt und Absturz
Es ist offensichtlich, dass uns Menschen eine globale Verantwortung zukommt, auch in unserem eigenen Interesse.
In dieser Situation haben wir aber weder eine holistische, also ganzheitliche Strategie, noch eine global handlungsfähige Organisation und auch nicht die Generalisten, welche die nötige Übersicht haben, die relevanten Zusammenhänge durchblicken und deshalb und dank holistischen Methoden holistische Lösungen vorschlagen und umsetzen können. Ohne diese Strategie, ohne diese Organisation und ohne diese Generalisten wird unsere Zukunft zunehmend zu einer Irrfahrt im dichten Nebel mit hoher Absturzwahrscheinlichkeit.
III. Generalisten
Das Projekt «Einheit der Wissenschaft und echtes Studium generale» hat nun den nicht geringen Anspruch, die Grundlagen für die erwähnte Strategie und Organisation, vor allem aber für die dringend nötigen Generalisten zu liefern. Deshalb ist dieses Projekt eine grundlegende Investition in die Zukunft der Wissenschaften und der Menschheit.
Dabei muss man sich erstens vor Augen führen, dass unsere heutige Welt in zunehmendem Masse von den Wissenschaften abhängig ist, schon allein aufgrund der zunehmenden Komplexität. Zweitens sind unsere grundlegenden Probleme wie Energie, Umwelt und Bevölkerungswachstum wissenschaftlich gesehen transdisziplinäre Probleme. Diese Probleme entziehen sich dem Zugriff der einzelnen Wissenschaftsdisziplinen, auch in ihrer Addition, der Interdisziplinarität. Vielmehr braucht es zusätzlich transdisziplinäre Ansätze, welche die Wissenschaftsdisziplinen unter übergeordneten Gesichtspunkten vereinen können und sie damit auch verändern: Es geht um die Zusammenführung der Natur- und Geisteswissenschaften, was einer zweiten Aufklärung gleichkommt. Drittens können die heutigen Wissenschaften diese Transdisziplinarität nicht gewährleisten, weil sie von Spezialisten ohne die nötigen Generalisten geführt werden.
Um diese Transdisziplinarität zu gewährleisten, braucht es als Grundlage den allgemeinen Teil der Wissenschaften, in den sich die einzelnen Wissenschaftsdisziplinen einbetten können. Dies führt zur Einheit der Wissenschaft. Und auf dieser Grundlage, der Einheit der Wissenschaft, ist an unseren Universitäten ein echtes Studium generale von zwei Semestern Dauer zu institutionalisieren. Dieses Studium generale ist deshalb ein echtes Studium generale, weil es im Gegensatz zu den existierenden Studia generalia holistisch ist. Es liesse sich auch als Studium fundamentale bezeichnen. Die Absolventen dieses echten Studium generale sind alsdann die Generalisten, die wir so dringend benötigen. Diese Generalisten sollten schliesslich in Zusammenarbeit mit uns allen in der Lage sein, unsere Verantwortung im Anthropozän wahrzunehmen, so insbesondere in strategischer und organisatorischer Hinsicht. Doch müssen längst nicht alle Studierenden ein echtes Studium generale absolvieren. So wie im Militär wenige Offiziere nach einer strengen Selektion zu Generalstabsoffizieren ausgebildet werden, genügt es, wenn wenige, aber geeignete Studierende ein echtes Studium generale absolvieren.